Buch «Senseland»

 

Michel Roggo (Fotografien), Anton Bertschy (Text), 2003: «Senseland». Paulusverlag, Freiburg, Schweiz. 112 Seiten, 100 Farbfotografien, 23.5 x 23.5 cm, gebunden.

ISBN 3-7228-0595-3

Bezug über den Buchhandel (CHF 48.--).

Ein paar Beispiele aus der Menge der hundert Fotografien:

Zu den Fotografien

Es ist nicht so, dass ich unbefangen an dieses Projekt heran gegangen wäre. Vom Senseland hatte ich zu viele und zu starke Bilder im Kopf - auch wenn ich als Kind Sensler Eltern in der Stadt Freiburg aufgewachsen war.

Die Sommerferien in Fillistorf, bei Onkel Jakob, bei Onkel Sepp. Das bäuerliche Senseland. Schwer arbeitende Bauern und Knechte, Bauersfrauen und Mägde. Die dampfenden Leiber der stampfenden Pferde. Das überhohe Heufuder, das noch vor dem dräuenden Gewitter ins Tenn musste, auf holperigen Feldwegen bedrohlich schwankend. Endlos weit die klein gegliederten Landschaften, begrenzt von Hecken, eigensinnig fliessenden Bächen, in denen sich von Hand Forellen fangen liessen. Am Himmel über den Blumenwiesen die jubilierenden Lerchen. Aber auch die Prozession von der Dorfkirche aus über die Felder, der lange Schatten der allgegenwärtigen Kirche.

Dann, etwas älter geworden, die Streifzüge quer durch das Senseland, zum Fischen mit Vater und Bruder. Noch kaum hatte sich das Land verändert, auch wenn nun Traktoren und Motormäher die Arbeit der Bauern erleichterten - und auch schon mehr Platz erheischten in der so klein parzellierten Landschaft.

Doch die rasante Entwicklung begann sich abzuzeichnen. Mit einem kühnen Querstrich der Energieplaner wurde das gewaltige Tal der Saane von Freiburg bis Laupen zerstört. Oberhalb des Striches bei Schiffenen ein Stausee, unterhalb ein vom Lineal gezogener Kanal. Unauslöschlich die Bilder, wie ich an der Saane bei Räsch stand und flussabwärts von mir die wilde Auenlandschaft mit Pflanzen und Tieren ganz langsam im neu sich bildenden See versank.

Später als Student, Ferienarbeit auf den Baustellen der Autobahn. Riesenhafte Maschinen verschoben die Landschaft nach dem Gusto der Verkehrsplaner, legten ein Teerband quer über Dorf, Feld, Wald, Moos und See, das Senseland an das europäische Schnellstrassennetz anbindend.

Als ich nun Jahrzehnte später für die Aufnahmen zu diesem Buch durch das Senseland streifte, realisierte ich erst die durchgemachte Entwicklung. Ein Dilemna für den Fotografen. Sollte ich das in kurzer Zeitspanne geschaffene «moderne» Senseland zeigen? Die Gartenzwerglandschaften der neuen Siedlungen im Grünen? Die Gewerbezonen entlang der Verkehrsachsen? Die Hochspannungsleitungen quer über die Hügel? Die Autobahnbrücke über dem Dorf? Dies hätte eine Ansammlung von Beliebigkeiten ergeben, möglich auch irgendwo in der mittelländischen Stadt Schweiz entlang der Autobahn.

Die Freiheit des Fotografen besteht darin, dass er nur sieht, was er sehen will. Ich sah einfach vor allem das unwahrscheinlich schöne «alte» Senseland - wo es denn noch existiert. Das Senseland, das vom Menschen über Jahrhunderte in langsamer Entwicklung und weit gehend in Einklang mit der gegebenen Naturlandschaft geschaffen wurde. Eine nächste Generation möge ein Urteil fällen über die Gültigkeit des neuzeitlichen Umbaus des Senselandes, über den schwierigen raumplanerischen Spagat zwischen Entwicklung und Erhaltung.

Dann ist noch das Arbeitstechnische. Gut hundert Mal zog ich von Dezember 2001 bis Mai 2003 durchs Senseland. Dabei ist Senseland weit gefasst: Gebiete wie Schwarzsee, Brecca oder Plasselbschlund, die ganz oder teilweise im Greyerzbezirk liegen, wurden schon längst von den Senslern stillschweigend vereinnahmt ... Oft begab ich mich immer wieder an gleiche Orte, sie in ein gutes Licht zu setzen. Stets ausgesprochen langsam arbeitend, ab Stativ, mit CANON-Objektiven von 15 mm bis 600 mm, etwas über hundert Rollen des niedrig empfindlichen FUJICHROME Velvia belichtend.

Die knappen Bildlegenden machen es nicht immer leicht, Orte einzuordnen. Wo ist denn Warla, Hinter Blattisboden, Tschüppleren, Färtschera, Melisried? Nun, die Bildauswahl ist doch eher zufällig und sowieso unvollständig, Orte und Landschaften könnten ausgetauscht werden. Die eher vagen Informationen sind auch eine sanfte Aufforderung, diese zahlreichen versteckten Sensler Landschaften selbst zu entdecken. Eindrücklich erfuhr ich diese Vielfalt noch am letzten Arbeitstag, kurz bevor ich die Bilder dem Verlag abgeben musste. Nach einer Wegbiegung eröffnete sich eine mir bis anhin unbekannte, klein gegliederte Hügellandschaft mit Einzelhöfen von unwahrscheinlicher Anmut. Doch das Licht war nicht gut, es ist also kein Bild im Buch und ich nenne den Ort auch nicht: selbst entdecken!